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Was ist ein Rücklagennachweis? Welche Krypto-Börsen bieten ihn?

In einem Ökosystem, das sich auf Vertrauen stützt, ist letzteres in der Krypto-Branche derzeit Mangelware. Nach der spektakulären Insolvenz von FTX besteht verständlicherweise die Sorge, dass auch andere Börsen und Plattformen vom Zusammenbruch bedroht sein könnten oder dass sie ebenfalls leichtsinnig mit ihren Rücklagen und/oder Kundengeldern umgehen. Das hat den Bedarf an sogenannten Rücklagennachweisen befeuert, wobei Binance als die weltweit größte Börse als erste Handelsplattform bestätigt hat, dass sie „bald mit Rücklagennachweisen beginnen wird“.

Obwohl der Begriff „Rücklagennachweis“ in Krypto-Kreisen in Mode gekommen ist, herrscht große Verwirrung darüber, was er eigentlich bedeutet. Einige Interpretationen sind diffuser als andere und Kritiker befürchten, dass genau das ein weiterer Deckmantel sein kann, mit dem die Branche Kunden eine vermeintliche Sicherheit vorgaukelt, die es nicht gibt. Gleichzeitig setzen sich andere Branchenvertreter für eine reine „On-Chain“-Variante des Rücklagennachweises ein, bei der die Rücklagen einer Börse stets für die Öffentlichkeit einsehbar sind.

Sollten alle Börsen den Nachweis von Rücklagen anbieten?

Rücklagennachweis wird nach FTX-Kollaps zum Trend

Die Befürchtungen um FTX, sein natives Token FTT und die Möglichkeit eines Zusammenbruchs im Stil von Terra kamen erstmals am 2. November auf, als die Bilanz des Unternehmens veröffentlicht wurde (durch einen unbekannten Whistleblower). Nur sechs Tage später, am 8. November, twitterte der CEO von Binance, Changpeng Zhao, dass „alle Krypto-Börsen Rücklagenreserven mit Hash-Baum nachweisen sollten“.

Binance proof-of-reserves tweet

Quelle: Twitter

Das brachte die Branche in Bewegung und Binance selbst veröffentlichte am 10. November seine Rücklagen. Andere Börsen folgten diesem Beispiel: Kraken, Coinbase, KuCoin, Deribit, OKX, Gate.io, Huobi und ByBit gehören zu den Plattformen, die in der ein oder anderen Form Daten zum Nachweis ihrer Vermögenswerte veröffentlicht haben (oder sich zur Veröffentlichung verpflichtet haben).

Im Fall von Binance hat das Unternehmen eine Liste von Wallet-Adressen bereitgestellt, zusammen mit einer Aufstellung des in diesen Wallets gehaltenen Guthabens. Zum Zeitpunkt der Erstellung dieses Artikels sind dort neben ein paar anderen Coins etwa 475.000 BTC, 4,8 Millionen ETH, 17,6 Milliarden USDT, 21,7 Milliarden BUSD und 58 Millionen BNB gelistet. Das entspricht etwa 67,24 Milliarden USD an Rücklagen.

Diese Art der Bereitstellung von Rücklagennachweisen hat weitgehend den Maßstab für andere Unternehmen gesetzt. Dabei wird eine Aufstellung der von einer Börse zu einem bestimmten Zeitpunkt gehaltenen Kryptowährungen mit Adressen kombiniert, die später abgefragt werden können, um festzustellen, wie sich die Rücklagen einer Plattform verändert haben können.

Allerdings hat die Art und Weise, wie einige Börsen ihre eigenen Rücklagennachweise erbringen, Fragen aufgeworfen. Beim Rücklagennachweis von Huobi gab es beispielsweise den Verdacht, dass die Börse zur Erstellung ihres Nachweises Gelder von anderen Börsen erhalten hatte und diese Gelder dann nach der Erstellung des Rücklagennachweises zurückzahlte. Weitere Analysen (z. B. von Paradigm) ergaben jedoch, dass Huobi Gelder zwischen seinen eigenen Wallets verschoben hatte und nicht zu und von einer anderen Plattform.

Bekannte Skeptiker von Kryptowährungen wie David Gerard vermuten trotz dieser Erklärung weiterhin, dass zumindest einige Börsen vor der Momentaufnahme einer Rücklagenoffenlegung gegenseitig Gelder austauschen. Auch wenn Gerard keine eindeutigen Beweise dafür vorgelegt hat, sollten Anleger die von Börsen zur Verfügung gestellten Informationen aufmerksam verfolgen und Plattformen bevorzugen, die tatsächlich Wallet-Adressen freigeben, die auch nach einer Momentaufnahme noch verfolgt werden können.

Warum Börsen UND Anleger mehr tun müssen

Selbst wenn man davon ausgeht, dass der Rücklagennachweis einer Börse zuverlässig und transparent ist, ist das nur ein Teil der Sicherheit, dass die betreffende Börse vor Zusammenbruch und Konkurs sicher ist. Der Grund dafür ist, dass die Angabe, wie viel Kryptowährung eine Börse hält, nicht besonders aussagekräftig ist, wenn die jeweilige Börse nicht auch ihre Verbindlichkeiten offenlegt.

Zwar mag es beruhigend sein, zu hören, dass Binance mehr als 67 Milliarden USD in Kryptowährungen hält, aber wie hoch ist die Verschuldung der Plattform? Wie hoch sind ihre Betriebskosten? Solche Fragen bleiben gänzlich unbeantwortet, sodass die Zahlungsfähigkeit von Binance nicht garantiert ist. Und da Binance ein privates Unternehmen ist (wie die meisten anderen Börsen), muss es seine Verbindlichkeiten auch weiterhin nicht offenlegen.

ByBit proof-of-reserves data.

Quelle: Tagado Bitcoin & Crypto/Twitter

Die obige Grafik, die die Rücklagen von Bybit abbildet, veranschaulicht das Problem sehr gut, da im Feld „Total Debts“ ein großes „N/A“ zu sehen ist. Diese Rücklagen zeigen also lediglich, dass die Börse einige Kryptowährungen besitzt, aber sonst so gut wie nichts.

Selbst unmittelbar vor seinem Konkurs verfügte FTX über Aktiva in Höhe von rund 900 Millionen USD, sodass Rücklagen allein nicht ausreichen, um die Zahlungsfähigkeit zu belegen. Aus diesem Grund sind einige Beobachter weiter gegangen und haben sich für eine vollständige „On-Chain“-Buchführung ausgesprochen, bei der sowohl die Verbindlichkeiten als auch die Vermögenswerte auf einer oder mehreren Blockchains sichtbar sind. Das wäre natürlich technisch schwierig umsetzbar, da Börsen und andere Plattformen wahrscheinlich Verbindlichkeiten in anderen Währungen als Kryptowährungen haben und so nicht transparent über eine Blockchain überwacht werden können.

Ein weiteres großes Problem für die Börsen ist auch, dass sie ihre Rücklagen größtenteils in Kryptowährungen halten und somit starken Wertschwankungen ausgesetzt sind. Dies kann sich in Zeiten des Konjunkturrückgangs als verhängnisvoll erweisen, vor allem wenn ihre Verbindlichkeiten größtenteils in USD oder einer anderen Fiat-Währung bestehen.

Conor Coinbase tweet on proof-of-reserves.

Quelle: Twitter

Wie der obige Tweet zeigt, ist der Wert der Rücklagen in Kryptowährungen von Binance in den fünf Tagen bis zum 19. November um 18,5 % gesunken. Das verdeutlicht die Schwankungen, denen die Börsen bei ihren Rücklagen ausgesetzt sind, sowie die potenziellen Schwierigkeiten, die sie bei der Steuerung ihrer Verbindlichkeiten bewältigen müssen.

Angesichts dieser Kritik wächst bei Fachleuten und Nutzern gleichermaßen die Einsicht, dass der Selbstkontrolle mehr Bedeutung beigemessen werden sollte. Das bedeutet, dass Anleger ihre Bestände auf ihren eigenen Hardware- und Software-Wallets halten und nur zum Handeln auf Börsen wie Binance und Coinbase übertragen. Wie sinnvoll diese Option ist, zeigt nicht nur der jüngste Zusammenbruch von FTX, sondern auch die vielen Börsen-Pannen, die das Ökosystem in den letzten Jahren erlebt hat: Erst letzten Monat wurde Binance auf einer der verwendeten Schnittstellen gehackt.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Veröffentlichung der Rücklagennachweise der meisten großen Börsen eine positive Entwicklung darstellt, und sei es nur, weil sie dadurch gezwungen werden, finanziell vorsichtiger zu sein. Anleger müssen jedoch bedenken, dass sie in einer nach wie vor unzureichend regulierten Branche letztlich selbst für die Sicherheit ihrer Einlagen verantwortlich sind.

 

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CryptoVantage Author Simon Chandler

About the Author

Simon Chandler

Simon Chandler is a journalist based in London. He writes about technology, markets and politics, and has bylines for Forbes, Digital Trends, CCN, Wired, TechCrunch, the Verge, the Sun, the New Internationalist, and TruthOut, among many others. His Twitter handle is @_simonchandler_

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